MAROKKO: GEFANGENER AKTIVIST IN SEHR SCHLECHTER VERFASSUNG

Sachlage
Am 13. Januar trat Mohamed Lamine Haddi in einen Hungerstreik, um Besuchsgenehmigungen für seine Rechtsbeistände und Familienangehörigen sowie ein Ende seiner Isolationshaft zu fordern. Außerdem möchte er in ein anderes Gefängnis verlegt werden, nachdem er im Gefängnis Tiflet II Misshandlungen und Schikanen durch die Gefängnisbehörden ertragen musste. Auch eine medizinische Behandlung wird ihm verweigert. Am 23. März erzählte er seiner Familie in einem Telefongespräch, dass er nach 69 Tagen Hungerstreik von Gefängniswärter_innen durch einen Schlauch in der Nase zwangsernährt worden war. Außerdem habe man ihm drei Injektionen mit unbekannten Substanzen verabreicht. Nach internationalen Menschenrechtsnormen gilt Zwangsernährung als grausame, unmenschliche und erniedrigende Behandlung. Mohamed Lamine Haddi teilte seiner Familie in dem Telefonat außerdem mit, dass er während seines Hungerstreiks nie ärztlich untersucht worden sei. Seine linke Körperhälfte sei teilweise gelähmt, er leide an Zittern in den Beinen, dem Gefühl, einen Stein in der linken Hand zu haben, Gedächtnisverlust und starken Schmerzen in Magen und Nieren.
Seit dem 17. September 2017 halten die Behörden Mohamed Lamine Haddi im Gefängnis Tiflet II in Rabat in Isolationshaft fest. Neben ihm werden dort noch weitere Aktivist_innen in Einzelhaft festgehalten, die im Zusammenhang mit Zusammenstößen in Gdeim Izik (Westsahara) im Jahr 2010 zu langen Haftstrafen verurteilt worden waren. Rabat liegt 1.227 Kilometer vom Wohnort ihrer Familien, El-Ayoun, entfernt. El-Ayoun ist die größte Stadt der Westsahara. Mohamed Lamine Haddi ist mindestens 23 Stunden am Tag allein in seiner Zelle eingesperrt, ohne Kontakt zu anderen Häftlingen. Aufgrund von Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie waren Familienbesuche seit März 2020 untersagt. Selbst nachdem die Behörden das Besuchsverbot wieder aufgehoben hatten, wurden seine Angehörigen mindestens zweimal (am 1. und 3. März 2021) daran gehindert, ihn zu besuchen.
Hintergrundinformation
Internationale Menschenrechtsstandards, wie die Mindestgrundsätze der Vereinten Nationen für die Behandlung der Gefangenen (Nelson-Mandela-Regeln), definieren Einzel- oder Isolationshaft als Aufenthalt von 22 Stunden oder mehr pro Tag ohne sinnvollen menschlichen Kontakt. Die Mindestgrundsätze legen fest, dass Einzelhaft von mehr als 15 aufeinanderfolgenden Tagen als grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung angesehen wird. Nach dem marokkanischen Strafvollzugsgesetz ist die Einzelhaft eine außergewöhnliche Maßnahme, die nur als Sicherheits- oder Schutzmaßnahme für Inhaftierte angeordnet wird. Auch das marokkanische Strafgesetzbuch stellt Folter unter Strafe.
Die Westsahara ist Gegenstand eines Territorialstreits zwischen Marokko und der Polisario-Front. Marokko hat das Gebiet 1975 annektiert und die Souveränität darüber, während die Polisario-Front einen unabhängigen Staat in dem Gebiet fordert. In den vergangenen Jahren ist der Zugang zur Westsahara für externe Beobachter_innen immer schwieriger geworden, da sich die Menschenrechtssituation weiter verschlechtert hat. Der UN-Sicherheitsrat hat Forderungen von Amnesty International und anderen ignoriert, der UN-Mission für das Referendum in der Westsahara (MINURSO) eine Menschenrechtskomponente hinzuzufügen, die eine Überwachung und Berichterstattung über Menschenrechtsverletzungen ermöglichen würde.